Mit Daten kommt Macht – und Verantwortung: Woran wir als Co-CEOs von Clue glauben
Mehr denn je müssen frei verfügbare, datengestützte Technologien der individuellen Selbstbestimmung und der Chancengleichheit in Bezug auf die Gesundheit dienen, nicht der Überwachung der Fortpflanzung.
Die jüngste Aufhebung des Urteils Roe vs. Wade hat nicht nur die Lage hinsichtlich der reproduktiven Rechte in den USA tiefgreifend verändert, sondern auch – genau wie bei der ursprünglichen Entscheidung – die Frage des Datenschutzes noch weiter ins Bewusstsein gerückt. Doch anders als im Jahr 1973 ist die Angst vor einer groß angelegten, technologiegestützten Überwachung der Fortpflanzung im heutigen öffentlichen Diskurs allgegenwärtig. Heutzutage sind unsere Daten überall und werden von allen vernetzten technologischen Diensten, die wir nutzen, verwendet. Auch Gesundheitstechnologien werden immer intelligenter und omnipräsenter und versprechen eine Welt der personalisierten Diagnostik und Behandlung, in der auf immer größere Datenmengen zurückgegriffen wird.
Dass Informationen ein entscheidender Faktor für die Gesundheit sind, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Gesundheitsfachkräfte wissen, dass Menschen gut informiert sein müssen, um gesund zu sein. Sie müssen ihre eigenen Gesundheitsziele und -prioritäten mitdefinieren, ihren Gesundheitszustand beobachten und mitteilen, wie sie sich fühlen. Nirgendwo trifft dies mehr zu als im Bereich der reproduktiven Gesundheit von Frauen, die in jeder Lebensphase äußerst unterschiedliche individuelle Erfahrungen durchmachen. Denk daran, wie unterschiedlich selbst Schwestern ihre Menstruation, das Wochenbett oder die Perimenopause häufig erleben. Denk daran, wie anders du dich bei deiner ersten Geburt im Vergleich zu deiner zweiten gefühlt hast. So etwas wie "Normalität" gibt es nicht und was für einen Menschen völlig gesund ist, kann bei einem anderen ein Anzeichen für eine ernsthafte Störung sein.
Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung dank individueller Tracking-Daten
Um Einblicke in die eigenen, einzigartigen Muster und Veränderungen zu erhalten, ist eine unzensierte Datenerfassung von entscheidender Bedeutung. Ganz gleich, ob man einfach nur seinen Zyklus besser verstehen will oder erkennen möchte, wenn etwas nicht stimmt – zunächst muss man seine persönliche Wahrnehmung artikulieren. Jeden Tag hören wir von unseren Clue-Nutzer:innen, wie oft das Gesundheitssystem sie im Stich lässt, wenn es darum geht, ihre Erfahrungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit ernst zu nehmen – wie Schmerzen heruntergespielt, Symptome abgetan, die eigene Intelligenz und Handlungsfähigkeit missachtet und versagt werden. Diese Personen berichten uns auch, wie wichtig ihre selbst getrackten Gesundheitsdaten in diesem Zusammenhang sein können. Sehr intime, schwer zu artikulierende, gelebte Erfahrungen werden so zu quantifizierbaren Beobachtungen. Die Fähigkeit, das, was man am Körper beobachtet, zu verstehen und in Form von Daten darzustellen, kann für die Selbstbestimmung, das Selbstmanagement und die Selbstakzeptanz eine wichtige Rolle spielen. Sie kann bei der Frage, ob man die Kontrolle übernimmt oder die Hoffnung auf eine adäquate medizinische Versorgung aufgibt, entscheidend sein (unsere Chief Medical Officer Dr. Lynae Brayboy spricht hier ausführlicher darüber).
Die Kluft zwischen den Geschlechtern schließen
Doch das ist bei Weitem nicht alles. Daten zur reproduktiven Gesundheit können nicht nur jeder:m einzelnen von uns zu mehr Selbstbestimmtheit verhelfen. Zum ersten Mal in der Geschichte können große Datensätze über den weiblichen Zyklus in die Gesundheitsforschung einfließen und so dazu beitragen, den "Gender gap" zu schließen – eine Kluft, die darauf zurückzuführen ist, dass Generationen von Forschenden davon ausgingen, der Standardmensch habe eine männliche Physiologie sowie auf die Tatsache, dass Frauenerkrankheiten und reproduktive Gerechtigkeit in der Vergangenheit aus einer männlichen Perspektive heraus betrachtet wurden. Aus diesem Grund ist es Clue ein zentrales Anliegen, zum Wissen über die weibliche Gesundheit beizutragen. Wir sind der festen Überzeugung, dass unser anonymisierter Datensatz dazu beitragen sollte, diese Lücken zu schließen (erfahre hier was unsere Head of Science Amanda Shea PhD über unsere wissenschaftliche Zusammenarbeit zugunsten der Frauengesundheit sagt).
Regierungen sollten sich für den Schutz von Daten zur reproduktiven Gesundheit einsetzen
Aus all diesen Gründen ist es entscheidend, dass Daten zur reproduktiven Gesundheit vertraulich und sicher verwahrt werden. Letztlich sollten die verantwortlichen Regierungen freier Länder dafür sorgen, dass dies der Fall ist, indem sie einen Rechtsrahmen schaffen, der den Schutz von Gesundheitsdaten vor Missbrauch gewährleistet und den Verbraucher:innen hilft zu verstehen, welche Apps tatsächlich funktionieren. Unserer Ansicht nach würden folgende Regelungen effektiv dazu beitragen:
Sensible Gesundheitsdaten vor der Weitergabe zum Zwecke der Nutzung gegen die betroffene Person zu schützen, sollte ein Grundrecht sein – ein Recht, das nicht im Kleingedruckten abgetreten oder von Behörden außer Kraft gesetzt werden kann;
Von Unternehmen, die Daten verarbeiten, sollte verlangt werden, dass sie ihren Nutzer:innen gegenüber transparent und in klaren Worten darlegen, wie sie Geld verdienen, und zwar insbesondere, ob der Verkauf personenbezogener Daten Teil des Geschäftsmodells ist (siehe unsere Erklärung zur Transparenz von Unternehmen hier—auf Englisch);
Die derzeit nicht regulierten Anbieter von Gesundheits- und Wellness-Apps sollten verpflichtet werden, ausdrücklich kenntlich zu machen, welches ihre gesundheitsbezogenen Angaben sind, ob es dafür veröffentlichte Belege gibt und ob sie von unabhängiger Seite für eine bestimmte Verwendung überprüft wurden;
Schließlich – und das ist eine Frage des öffentlichen Interesses, die gut abgewägt werden muss – sollte den Unternehmen eine angemessene technische Flexibilität eingeräumt werden, um die dringend benötigte Innovation im Bereich der datengestützten Gesundheitstechnologie nicht zu behindern.
Eine gute Regulierung ist schwierig, aber diese Ziele wären ein guter Anfang. Sie sollte für jeden unumstritten sein – unabhängig von den jeweiligen Ansichten zur Abtreibung oder zu reproduktiven Rechten im weiteren Sinne. Eine bessere Selbstkenntnis ist immer von Nutzen, insbesondere im Bereich der Frauengesundheit. Und dafür braucht es einen sicheren und geschützten Raum.
Unsere Verpflichtung
Die Clue Community ist über die ganze Welt verstreut – was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Menschheit einen Zyklus und ein weibliches Fortpflanzungssystem hat. Aktuell haben wir Nutzer:innen von der Antarktis bis Tuvalu, von Deutschland bis zur Ukraine, von den USA bis Afghanistan. Nicht überall sind Frauen im Vergleich zu Männern vor dem Gesetz gleichgestellt. Nicht überall gibt es ein Recht auf Freiheit, auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung oder auf Privatsphäre in Bezug auf die intimsten Erfahrungen.
Aber wir als frauengeführtes Technologieunternehmen leisten unseren Beitrag. Wir sorgen dafür, dass die Gesundheitsdaten, über die wir verfügen, nur im Dienste der Wissenschaft verwendet werden. Wir werden mit keinerlei Regierungsbehörde zusammenarbeiten, um die Gesundheitsdaten der Menschen gegen sie einzusetzen. Wir werden weiterhin in den Datenschutz investieren. Wir werden weiterhin hart daran arbeiten, den Menschen eine datenbasierte Technologie zu bieten, die so nützlich, empathisch und emanzipatorisch wie möglich ist – und für die man nichts weiter benötigt, als ein Smartphone.
Wir entwickeln technologische Lösungen, von denen wir wollen, dass unsere Freunde, unsere Schwestern und unsere Töchter sie unbesorgt und mit Freude nutzen. Wir verpflichten uns, die außerordentliche Macht von Technologie und Big Data zu nutzen, um die Selbstbestimmung und Chancengleichheit im Gesundheitsbereich zu stärken, und nicht, um irgendeine Form der Überwachung im Bereich der Fortpflanzung auszuüben.