Natürliche Verhütung und Methoden natürlicher Familienplanung (NFP)
Wie gut funktionieren sie?
*Übersetzung: Judith Quijano
Methoden natürlicher Familienplanung (NFP) sind Mittel, die Menschen sowohl dabei helfen, schwanger zu werden, als auch eine Schwangerschaft zu verhindern (1-4). Zwar existieren mehrere Methoden der natürlichen Familienplanung, jedoch teilen sie alle dasselbe Ziel: Sie sagen den Eisprung einer Person vorher (1-4).
Diese Methoden basieren auf zwei Tatsachen: zum einen, dass eine Person nur schwanger werden kann, wenn sie in den sechs Tagen vor dem Eisprung und am Tag des Eisprungs (auch fruchtbare Phase genannt) ungeschützten Vaginalsex hat und andererseits, dass eine Person ein Mal pro Zyklus ovuliert (5). Die Länge der fruchtbaren Phase ist eine Kombination aus der Lebensdauer der Spermien in der Gebärmutter (rund 5 Tage) und der Lebensspanne einer Eizelle (12-24 Stunden).
(Du hast in der Clue-App die Option, dir den geschätzten Tag deines Eisprungs anzeigen zu lassen. Dies ist lediglich eine Schätzung und es könnte sein, dass dein Eisprung nie an diesem Tag stattfindet. Die Anzeige soll Menschen helfen, die versuchen, schwanger zu werden und dient ausschließlich Informationszwecken. Du solltest dich nicht auf diese Schätzung verlassen, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Es ist nicht richtig, dass du nur am Tag deines Eisprungs schwanger werden kannst. Aus diesem Grund solltest du, wenn du nicht schwanger werden möchtest, immer verhüten.)
Im Rahmen der natürlichen Familienplanung (NFP) können mehrere Faktoren getrackt werden. Dazu gehören:
Das Messen der Basaltemperatur: Am Anfang der Lutealphase (bzw. in der zweiten Zyklushälfte, nach dem Eisprung) steigt die Körpertemperatur einer Person um 0,3-0,6 Grad Celsius an. Das Messen der Basaltemperatur allein reicht für eine zuverlässige natürliche Familienplanung nicht aus, denn eine erhöhte Basaltemperatur gibt einer Person lediglich Aufschluss darüber, dass sie bereits ovuliert hat, jedoch nicht darüber, wann der Eisprung stattfinden wird. Dennoch kann das Tracken der erhöhten Basaltemperatur Monat für Monat dabei helfen, eine Schätzung über den Eisprung im nächsten Zyklus abzugeben.
Beobachtung und Auswertung des Zervixschleims: Der Zervixschleim verändert sich während des Menstruationszyklus als Reaktion auf die Hormone Östrogen und Progesteron und nimmt in der Regel zu, wenn eine Person sich dem Eisprung nähert oder ovuliert. Ein eiweißähnlicher Zervixschleim weist in der Regel darauf hin, dass der Eisprung kurz bevorsteht oder im Laufe des letzten Tages stattgefunden hat, während dickerer, klumpiger Zervixschleim meist darauf hindeutet, dass eine Person bereits ihren Eisprung hatte.
Den Zyklus mit einem Kalender oder einer App tracken
LH-Urintests: Das luteinisierende Hormon (LH) steigt 24 Stunden vor dem Eisprung an und dies kann mit einem Urintest Zuhause erkannt werden (1-4).
Einige der bekannten natürlichen Familienplanung (NFP)-Methoden:
Die Rhythymusmethode: Sie ist die älteste NFP-Methode und verwendet als Grundlage einen Kalender. Eine Person sollte ihren Menstruationszyklus mindestens 6 Monate tracken, bevor sie sich auf diese Methode verlässt. Nach dem Tracken mehrerer Zyklen sollte die Person ihren längsten und kürzesten Zyklus als Anhaltspunkt betrachten, um die Zeit zu bestimmen, in der sie in Zukunft mit größerer Wahrscheinlichkeit fruchtbar sein könnte und in diesem Zeitfenster Sex vermeiden oder auf eine andere Vermhütungsmethode zurückgreifen. Sollte dein Zyklus nicht regelmäßig und zwischen 26 und 32 Tage lang sein, ist diese Methode wahrscheinlich nicht die richtige für dich. Es gibt keine aktuelle Schätzung darüber, wie gut die Rhythmusmethode funktioniert.
Standard Days-Methode: Diese Methode ist mit der Rhythmusmethode vergleichbar. Kurz zusammengefasst vermeidet eine Person von Tag 8 bis 19 Sex oder greift in dieser Zeit auf ein anderes Verhütungsmittel zurück (Tag 1 ist dabei der erste Tag der Menstruation). Sollte dein Zyklus unregelmäßig sein und nicht 26 bis 32 Tage dauern, ist diese Methode für dich nicht empfehlenswert. Bei perfekter Anwendung dieser Methode werden pro Jahr 5 von 100 Personen schwanger. Die Standard Days-Methode wird derzeit von der Weltgesundheitsorganisation WHO als modernes Verhütungsmittel angesehen.
TwoDay-Methode: Personen, die diese Methode anwenden, beobachten jeden Tag ihres Zyklus ihren Zervixschleim und werten ihn aus. Ist der Zervixschleim gestern oder heute glitschig oder eiweißartig, ist eine Person potentiell fruchtbar und sollte auf Sex verzichten. Bei perfekter Anwendung dieser Methode werden in einem Jahr 4 von 100 Personen schwanger.
Billings-Methode (Zervixschleim-Methode): Ähnlich wie die TwoDay-Methode beobachtet man in dieser Methode den Zervixschleim und wertet ihn aus, um die fruchtbare Phase einzuschätzen. Personen, die diese Methode anwenden, zeichnen Beschreibungen ihres Zervixschleims in einer Tabelle auf und befolgen eine Reihe von Regeln darüber, wann sie ohne Risiko einer Schwangerschaft Sex haben können. Bei perfekter Anwendung dieser Methode werden in einem Jahr 3 von 100 Personen schwanger.
Sensiplan (auch symptothermale Methode genannt): Diese Methode bestimmt auf Grundlage des Zervixschleims und der Basaltemperatur die fruchtbare Phase in jedem individuellen Zyklus. Bei perfekter Anwendung dieser Methode werden in einem Jahr weniger als 1 von 100 Personen schwanger.
Fruchtbarkeitstracking mit mobiler App: Diese relativ neuen Tools sind an sich keine Methoden, sondern nutzen in der Regel Kalenderschätzungen, die Basaltemperatur und manchmal andere Symptomeingaben wie Ergebnisse eines Eisprungtests (LH-Urintests). Die Schätzungen darüber, wie viele Personen jedes Jahr schwanger werden, variieren je nach App und je nachdem, wie ausführlich sie untersucht und getestet werden (6-10).
Trotz der hohen Wirksamkeit dieser Methode unter Idealbedingungen ("perfekte Anwendung") kann es herausfordernd sein, sie korrekt und konsequent anzuwenden. Daher ist die Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen ("typische Anwendung") vermutlich deutlich niedriger.
Wie wirksam sind NFP-Methoden als Verhütungsmittel?
Die meisten Menschen nutzen NFP-Methoden (oder die meisten anderen Verhütungsformen) nicht perfekt. Deswegen ist die Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen der NFP-Methoden (bzw. das, was wir in der Regel in der Praxis beobachten) wahrscheinlich niedriger. Wie viel niedriger sie genau ausfällt, ist jedoch umstritten. Es ist davon auszugehen, dass verschiedene NFP-Methoden unterschiedliche Wirksamkeiten unter Alltagsbedingungen aufweisen, doch gibt es einige Studien, die sich bestimmten NFP-Methoden im Einzelnen widmen (z. B. Standard Days oder die TwoDays-Methode). Ziel ist es, herauszufinden, wie sehr die Ergebnisse verallgemeinert werden können.
Es gibt mehrere Faktoren, die die Wirksamkeit einer NFP-Methode unter Alltagsbedingungen beeinflussen können. Darüber hinaus variieren die Schätzungen der Wirksamkeit von NFP-Methoden unter Alltagsbedingungen. Die Variablen umfassen Forschungsfaktoren, den Menstruationszyklus einer Person und die Genauigkeit der Messungen, die von einer Nutzerin vorgenommen werden.
Forschungsfaktoren
Das Konzept einer Studie kann starke Auswirkungen auf die Ergebnisse derselben haben. In der Verhütungsforschung ist es üblich, alle NFP-Methoden zusammengefasst zu untersuchen, da die Zahl der Menschen, die sie anwenden, im Vergleich zur Nuzergruppe anderer Verhütungsmethoden viel kleiner ist. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass jede vierte Person, die sich auf eine NFP-Methode als Verhütungsmittel verlässt, binnen eines Jahres schwanger werden wird (6). Das ist darauf zurückzuführen, dass jede Person, die angibt, eine NFP-Methode anzuwenden, in einer einzigen Kategorie zusammengefasst wird.
Das bedeutet, dass jemand, der seinen Zyklus nicht detailliert trackt und nur gelegentlich in der fruchtbaren Phase auf Sex verzichtet, in derselben Kategorie untersucht wird wie eine Person, die während ihrer gesamten fruchtbaren Phase Sex vermeidet und ihre Basaltemperatur und/oder ihren Zervixschleim regelmäßig und mithilfe eines klar definierten Programms (wie Standard Days oder Sensiplan) trackt. Es ist unwahrscheinlich, dass diese zwei Personen mit ihrer jeweiligen NFP-Methode dieselbe Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen aufweisen.
Die Dauer der Studie und die Zahl der Studienteilnehmer:innen, die sich bis zum Ende der Studie beteiligen, wirkt sich ebenfalls auf die Wirksamkeit unter Ideal- und Alltagsbedingungen aus (6). 50 % der Teilnehmer:innen oder mehr steigen vorzeitig aus vielen NFP-Studien aus oder sind Lost-to-Follow-up-Teilnehmer:innen (d. h. die Forscher:innen wissen nicht, was aus den Teilnehmer:innen geworden ist) (6-10).
Auch wenn die Teilnehmer:innen gute Gründe haben können, aus einer Studie auszusteigen (die Methode missfällt ihnen, sie wollen nicht schwanger werden usw.), kann das die Vorhersagen der Forscher:innen über die Effizienz der Methode verfälschen. Außerdem können die Forscher:innen in diesem Fall schwieriger feststellen, ob die Methode allein bei den Personen wirkt, die in der Studie verblieben sind. Jene Personen, die in der Studie bleiben, können sich auf mehreren Ebenen von den "verloren gegangenen" Lost-to-Follow-up-Teilnehmer:innen unterscheiden. So könnten zum Beispiel die Personen, die in der Studie bleiben, im Vergleich zu den ausgeschiedenen Probandinnen besser in der Nutzung der Verhütungsmethode sein, weniger häufig Sex haben (und folglich ein niedrigeres Risiko einer Schwangerschaft haben) oder älter oder weniger fruchtbar sein (6).
Beispielsweise stiegen etwa 5 von 10 Personen nach einem Jahr aus einer Studie aus, in der die Wirksamkeit einer fruchtbarkeitstrackenden mobilen App unter Idealbedingungen untersucht wurde und es gab 400 Lost-to-Follow-up-Fälle (10). Aufgrund der Art der Durchführung der Studie wissen die Forscher:innen nicht, ob die verbleibenden Teilnehmer:innen im Vergleich zu den Abbrecher:innen ein geringeres Schwangerschaftsrisiko hatten, weil sie weniger Sex hatten oder ob hierfür ein anderer Grund verantwortlich war. Die Schätzungen der Schwangerschwaftsquoten sollten eher als Rahmen statt als absolute Zahl angegeben werden, schließlich ist nicht bekannt, was aus vielen der Studienteilnehmer:innen geworden ist. Leider ist dies in der NFP-Forschung ein wiederkehrendes Problem, das zu einer fehlerhaften Wahrnehmung der Effizienz einer Methode führen kann.
Individueller Menstruationszyklus
Manche NFP-Methoden wie die Standard Days-Methode werden stark von der Vorhersagbarkeit des Menstruationszyklus einer Person beeinflusst. Leider kann im Rahmen dieser Methode nicht immer vor der fruchtbaren Phase der Eisprung vorhergesagt werden. Diese NFP-Formen schätzen auf Basis vorangegangener Zyklen entweder, wann eine Person fruchtbar sein könnte oder teilen der Person mit, dass sie sich in ihrer fruchtbaren Phase befindet oder danach.
Kalenderbasierte NFP-Methoden wie die Standard Days-Methode sind für Menschen mit regelmäßigem Zyklus geeignet. Diese Methoden gehen von der Annahme aus, dass jeder Zyklus mit dem vorangegangenen vergleichbar ist. Das mag im Durchschnitt stimmen, aber bei den meisten Menschen variiert die Zykluslänge und ihr Zyklus ist manchmal ungewöhnlich. Stress, Jetlag und Nachtschichten sind Faktoren, die die Zykluslänge beeinflussen können (11-13). Gleiches gilt für Personen, die sich den Wechseljahren nähern oder in der Pubertät sind: Sie haben häufiger schwankende Zykluslängen. Hinzu kommt, dass nicht immer eindeutig bestimmbar ist, wann eine Person in diese Phase eintritt oder sie hinter sich gelassen hat. Manchmal ist der Zyklus auch aus einem unerklärlichen Grund unregelmäßig.
Messgenauigkeit
Eine Kombination aus symptothermalen Methoden als NFP-Verhütungsmethoden weist die beste Wirksamkeit unter Idealbedingungen auf (6, 7). Die Aufzeichnung der Basaltemperatur und die Beobachtung und Auswertung des Zervixschleims sind umständliche NFP-Methoden, da sie tägliche Messungen in der Regel ein bis zwei Mal am Tag sowie höchst akkurate Messungen erfordern. Die Aufzeichnung der Basaltemperatur erfordert beispielsweise von einer Person, ihre Temperatur nach dem Aufwachen (oder nach einem vergleichbaren Ruhezeitraum) zu messen. Die TwoDay-Methode basiert auf der Auswertung des Zervixschleims mindestens zwei Mal pro Tag (2). Wenn eine Person dies nicht konsequent tut, sind die Messungen und Schätzungen nicht zuverlässig.
Selbst wenn eine Person regelmäßig ihre Fruchtbarkeitszeichen prüft, können die Messungen falsch sein. Insbesondere die Basaltemperatur wird von Schlaf und Krankheit beeinflust (1, 2), sodass Messungen, die nicht nach dem Aufwachen stattfinden oder dann, wenn eine Person krank ist, nicht als akkurat eingestuft werden können.
NFP-Methoden sind zuverlässiger, wenn man den Abstinenzzeitraum nach der fruchtbaren Phase erweitert. Das ist im Übrigen auch, was formale Richtlinien für kombinierte NFP-Methoden (wie die Standard Days-Methode) empfehlen. Auch wenn die fruchtbare Phase rund 6 Tage dauert, kann eine Person, die mit NFP verhütet, diesen potentiell fruchtbaren Tagen weitere Tage hinzufügen, um mögliche Schwankungen auszugleichen. Der Nachteil ist, dass bei einer höheren Zahl geschätzter fruchtbarer Tage weniger Tage übrig bleiben, an denen eine Person ohne eine andere Verhütungsmethode Sex haben kann.
Die Verlängerung der fruchtbaren Phase auf diese Weise funktioniert nur bei Personen, die begrenzt Zyklusschwankungen haben. Für jede fünfte Person, deren Zykluslänge um 14 Tage oder mehr schwankt oder jene Personen, die sich in der Perimenopause oder Pubertät befinden, könnte die Erweiterung der potentiellen fruchtbaren Phase nicht ausreichend Schutz vor einer ungeplanten Schwangerschaft bieten (14).
Für wen eignen sich NFP-Methoden?
Die Verwendung bestimmter NFP-Methoden kann viel Arbeit bedeuten, aber für manche Menschen lohnt sich der Aufwand. NFP-Methoden haben keine Nebenwirkungen, sind entweder kostenlos oder günstig und können ohne die Hilfe von ärztlichem Fachpersonal gestartet oder beendet werden. NFP-Methoden eignen sich für Menschen, die sich keine effiziente Alternative leisten können, keinen Zugang dazu haben, aus religiösen Gründen dagegen sind oder schlichtweg keine anderen Verhütungsmittel nutzen wollen (1-3).
Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass Menschen mit unvorhersehbarem Menstruationszyklus und/oder Menschen, die unter 18 oder über 40 Jahre alt sind, nicht in der NFP-Forschung berücksichtigt werden (6-10). Aus diesem Grund ist es schwierig, zu wissen, wie effizient NFP-Methoden bei diesen Personengruppen wirken.
Außerdem eignen sich NFP-Methoden nicht für Personen, die mehrere Sexpartner und/oder ungetestete Partner haben, da sie nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) schützen.
NFP in Kombination mit einer weiteren Methode
NFP-Methoden in Kombination mit weiteren Verhütungsmitteln wie Kondomen oder Spermiziden können besonders dann das Risiko einer Schwangerschaft reduzieren, wenn eine Person Sex in der fruchtbaren Phase konsequent meidet und ansonsten ein anderes Verhütungsmittel nutzt (1-3). Die Nutzung eines Kondoms in Kombination mit NFP-Methoden reduziert zudem das Übertragungsrisiko sexuell übertragbarer Krankheiten.
Warum sollte ich meine Basaltemperatur mit Clue aufzeichnen?
Clue allein sollte nicht als Verhütungsmittel eingesetzt werden. Durch das Tracken deiner Basaltemperatur und die Eingabe von Ergebnissen von Eisprungtests kann Clue bessere Schätzungen über deine Zykluslänge, die Länge deiner Lutealphase und deinen geschätzten Eisprung abgeben. Dies dient jedoch ausschließlich Informationszwecken und soll dir dabei helfen, deinen Zyklus, deinen Körper und deine Gesundheit besser zu verstehen. Der geschätzte Tag deines Eisprungs sollte nicht als Anhaltspunkt genutzt werden, um eine Schwangerschaft zu verhindern.
Dieser Artikel wurde das erste Mal am 14. November 2017 veröffentlicht.