Abtreibungen gehören zur Gesundheitsversorgung
Damit sie sicher sind, müssen Abtreibungen legal sein
Der Zugang zu sicheren und rechtzeitigen Schwangerschaftsabbrüchen ist für die Gesundheit aller Menschen, die schwanger werden können, unerlässlich. Restriktive Gesetze verhindern keine Abtreibungen, sondern führen dazu, dass mehr Menschen unregulierte und damit unsichere Abtreibungen in Anspruch nehmen.
Forscher:innen haben nachgewiesen, dass die Entscheidung, Kinder zu haben – auch bekannt als reproduktive Selbstbestimmung – die Gesundheit und Lebensqualität von Frauen erheblich verbessert. Die International Federation of Gynecology and Obstetrics (1) erklärt, dass die reproduktive Selbstbestimmung, einschließlich des Zugangs zu sicheren Abtreibungen, ein grundlegendes und nicht verhandelbares Instrument zur Gewährleistung der Menschenrechte aller Frauen weltweit sein sollte (1). Dieser Meinung sind auch die führenden US-amerikanischen Organisationen, die sich mit der reproduktiven Gesundheit von Frauen befassen: das American College of Obstetricians and Gynecologists, das American College of Nurse Midwives, Planned Parenthood, die Society of Family Planning und Power to Decide.
Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch kann sehr komplex sein. Sie kann jedoch entscheidend sein für die Sicherstellung der physischen und psychischen Gesundheit, die Fortführung des Bildungsweges, die Erhaltung der finanziellen Stabilität sowie die familiären Beziehungen und die Fähigkeit, die eigenen Kinder zu versorgen. Kurz gesagt: Sie kann für die Verfolgung der Lebensziele und das Glück einer Person von wesentlicher Bedeutung sein. Sie sollte ohne Angst vor Verurteilungen oder rechtlichen Konsequenzen erfolgen.
Weltweit führt der fehlende Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen dazu, dass Menschen nach anderen unsicheren Wegen suchen, um eine Schwangerschaft zu beenden: 45 % aller Abtreibungen gelten als unsicher (2). Unsichere Schwangerschaftsabbrüche sind weltweit für 13 % aller Todesfälle bei Müttern verantwortlich (3). In den USA, wo das Recht auf Abtreibung extrem politisiert ist, sind Abtreibungen dennoch weit verbreitet – fast die Hälfte aller Schwangerschaften ist ungewollt und etwa 34 % aller ungewollten Schwangerschaften enden mit einem Abbruch (4, 5). Für die reproduktive Gesundheit von Frauen ist es daher von zentraler Bedeutung, dass der Zugang zu sicheren, frühzeitigen Optionen wie medikamentösen und chirurgischen Schwangerschaftsabbrüchen bei zugelassenen, geschulten und rechenschaftspflichtigen Ärzten und Ärztinnen ohne Bedrohung, Angst oder politische Einflussnahme gewährleistet ist.
Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) (7, 9) grundsätzlich rechtswidrig. Ein instrumenteller oder chirurgischer Abbruch bleibt in Deutschland lediglich unter strengen Vorgaben in der Regel innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis straffrei (6).
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nicht strafbar, wenn die betroffene Person den Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung folgt. Die schwangere Person, die den Eingriff wünscht, muss sich mindestens drei Tage vor dem Abtreibungstermin bei einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen. Dort erhält sie einen Nachweis, den sie dem:der Arzt oder Ärztin, der:die den Eingriff vornimmt, vorzulegen hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann keiner der am Schwangerschaftsabbruch Beteiligten bestraft werden (6, 8).
Straffrei ist ein Schwangerschaftsabbruch auch dann, wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt: Von einer medizinischen Indikation ist die Rede, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes des Kindes oder der schwangeren Person besteht. Ein Schwangerschaftsabbruch mit medizinischer Indikation ist – anders als bei der Beratungsregelung – auch nach der zwölften Woche nach der Empfängnis straffrei möglich. Eine kriminologische Indikation wiederum ist gegeben, wenn die Schwangerschaft das Ergebnis eines Sexualdelikts wie einer Vergewaltigung ist. Hier gilt jedoch auch, dass seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein dürfen (6).
Für alle Jugendlichen, die vor Vollendung des 14. Lebensjahres schwanger werden, gilt immer eine kriminologische Indikation. Bei der kriminologischen Indikation gibt es keine Beratungspflicht, allerdings einen Anspruch auf Beratung, falls die Schwangere dies wünscht (6).
Für einen Abbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche gilt, dass die Schwangere straflos bleibt, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach einer Beratung durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle von einem:r Arzt oder Ärztin vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind. In diesem Fall bleibt allerdings nur die Schwangere straflos, während sich andere Beteiligte durchaus strafbar machen können (6).
Liegt eine medizinische oder kriminologische Indikation vor, werden die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch bei gesetzlich versicherten Personen von der Krankenkasse übernommen. Anders verhält es sich bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung: Hier muss die Schwangere die Kosten selbst tragen. Allerdings können die Kosten für die Nachbehandlung im Falle von Komplikationen geltend gemacht werden (6).
Im deutschen Kontext relevant ist auch Paragraf 219a des Strafgesetzbuches über das Werbeverbot für Abtreibungen, der am 24. Juni 2022 vom Bundestag gestrichen wurde: Dieser verbot Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Interessen und in „grob anstößiger Weise“. Das hatte in der Praxis aber vor allem dazu geführt, dass Ärzt:innen, die über Schwangerschaftsabbrüche informiert haben, dafür verurteilt wurden (8, 10).
Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz
In der Schweiz sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2002 erlaubt: Am 2. Juni 2002 stimmten mehr als 72 % der Bevölkerung dafür, Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal zuzulassen. Vorangegangen waren langjährige Debatten (11).
Das Gesetz wird auch als „Fristenregelung“ bezeichnet, ist im Schweizerischen Strafgesetzbuch (Artikel 119) verankert und hat die über 50 Jahre alten strafrechtlichen Regelungen über Schwangerschaftsabbrüche abgelöst (16).
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in der Schweiz straflos, wenn die schwangere Person, deren Schwangerschaft in einem Krankenhaus oder in einer ärztlichen Praxis bestätigt wurde, ihren Wunsch in den ersten zwölf Wochen seit Beginn ihrer letzten Menstruation schriftlich geltend macht und erklärt, dass sie sich in einer Notlage befindet (14, 12). Anschließend muss die Person ein paar Tage vor dem Abbruch (der medikamentös oder instrumentell erfolgt) oder direkt davor ein detailliertes Beratungsgespräch mit einem:r Arzt oder Ärztin führen (15). Es wird ihr zudem eine Reihe von Anlaufstellen für psychische oder materielle Hilfe gegeben. Nach der Abtreibung findet eine Nachkontrolle statt (14).
In Ausnahmefällen ist ein Schwangerschaftsabbruch in der Schweiz auch nach der 12. Schwangerschaftswoche erlaubt, nämlich dann, „wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.“ (Art. 119, Abs. 1, Schweizerisches Strafgesetzbuch) (16).
In der Schweiz müssen die Kosten einer Abtreibung durch die Grundversicherung der Krankenkassen bezahlt werden (13).
Schwangerschaftsabbrüche in Österreich
In Österreich ist die so genannte Fristenregelung am 1. Januar 1975 in Kraft getreten. Das war 50 Jahre nachdem Sozialistinnen erstmals im Parlament den Antrag auf Straffreiheit für Schwangerschaftsabbrüche gestellt hatten (18).
Demnach ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich strafbar. Dem:r ausführenden Arzt oder Ärztin droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, der Mutter bis zu einem Jahr (§ 96 Strafgesetzbuch (17)). Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa dann, wenn die Abtreibung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten durchgeführt wird, medizinische Indikationen vorliegen bzw. Mutter oder Kind durch die Schwangerschaft in Gefahr kommen (könnten) oder die Schwangere zur Zeit des Geschlechtsverkehrs unmündig gewesen ist. Grundsätzlich ist kein:e Arzt oder Ärztin verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Ein Abbruch darf zudem nur mit Zustimmung der Schwangeren durchgeführt werden, außer sie befindet sich in Lebensgefahr und ein Abbruch ist überlebensnotwendig (19).
In Österreich fehlen genaue Durchführungsbestimmungen für einen Schwangerschaftsabbruch sowie eine Regelung bezüglich der Kostenübernahme. Nur wenige Ärzt:innen und Krankenhäuser außerhalb von Wien bieten öffentlich Abbrüche an, was den Zugang zu Abtreibungen außerhalb der Hauptstadt immer noch erschwert. Die Kosten für einen Abbruch werden nicht von der Krankenkasse übernommen.
Clue ist dazu da, Barrieren in der gesundheitlichen Aufklärung sowie unbegründete Mythen und kulturelle Tabus im Bereich der reproduktiven Gesundheit abzubauen. Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, seine eigenen Gesundheitsentscheidungen zu treffen – frei von Vorurteilen, Fehlinformationen und Scham. Unser Ziel ist es, allen Menschen in unserer Community Unterstützung in Sachen reproduktive Gesundheit zukommen zu lassen – unabhängig von den Entscheidungen, die sie diesbezüglich treffen. Wir verpflichten uns daher, weiterhin genaue, evidenzbasierte und wertfreie Informationen zu allen Themen aus dem Bereich reproduktive Gesundheit – einschließlich Abtreibungen – bereitzustellen.